Vollstreckung

Hinsichtlich der Vollstreckung unterscheidet die EuUnthVO wie schon bei der Anerkennung zwischen Titeln aus Mitgliedstaaten, die an das Haager Protokoll gebunden sind und solchen, die nicht daran gebunden sind (insbesondere Großbritannien).

Zwischen Staaten, die das Haager Protokoll ratifiziert haben, entfällt das Vollstreckbarerklärungsverfahren vollständig. Die zum Zwecke der Vollstreckung der jeweils zuständigen Vollstreckungsbehörde vorzulegenden Schriftstücke sind in Art. 20 bzw. 48 Abs. 3 EuUnthVO aufgeführt. Das nähere Verfahren ist sodann in §§ 30 bis 34 AUG geregelt.

Ist die vollstreckbare Entscheidung in einem Mitgliedstaat ergangen, der an das Haager Protokoll nicht gebunden ist, findet die Vollstreckung gemäß Art. 26 EuUnthVO in einem anderen Mitgliedstaat nur statt, wenn die Entscheidung auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden ist. Das weitere Verfahren ist in Art. 27 bis 31 EuUnthVO geregelt. Die nähere Ausgestaltung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens erfolgt in den §§ 35 ff. AUG. Hinzuweisen ist auf die in § 35 AUG vorgesehene Zuständigkeitskonzentration beim Amtsgericht, das für den Sitz des OLG zuständig ist, in dessen Bezirk die Vollstreckung durchgeführt werden soll. Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist ein fristgebundener Rechtsbehelf gemäß Art. 32 EuUnthVO statthaft. Die nähere Ausgestaltung ist in §§. 43 ff. AUG geregelt. Sofern der betreffende Mitgliedstaat der Kommission nach Art. 71 EuUnthVO ein Verfahren notifiziert hat, mit dem die Entscheidung über den nach Art. 32 EuUnthVO eingelegten Rechtsbehelf wiederum angefochten werden kann, ist gemäß Art. 33 EuUnthVO eine Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsbehelf möglich. Diese Möglichkeit ist durch die Rechtsbeschwerde nach §§ 46 ff. AUG vorgesehen.

Das LuGÜ II kommt in Betracht bei Vollstreckung in Island, Norwegen und der Schweiz. Das HKUVollstrÜ gilt bei Vollstreckung von Titeln, die Unterhalt für noch nicht 21-jährige unverheiratete Kinder regeln, in Liechtenstein, Suriname, Ungarn und den überseeischen französischen Departements. Das HUVollstrÜ gilt bei Vollstreckung in Estland, Norwegen, Polen, der Slowakei, der Schweiz, der Tschechischen Republik und der Türkei. Das UN-Übereinkommen vom 20.06.1956 ist auf die Vollstreckung in einer Vielzahl weiterer Staaten (ca. 40) anwendbar, zu denen allerdings weder die USA noch Kanada noch Südafrika gehören. Im Bezug auf die letztgenannten Länder ist einschlägig das AUG, welches auf Grund vereinbarter Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Südafrika, den meisten Provinzen Kanadas und den meisten Staaten der USA anzuwenden ist. Zu Israel und Tunesien s.u. Rdn. 185.

Im Anwendungsbereich der EuGVVO erfolgt die Vollstreckung gem. Art. 38 ff. EuGVVO in der Weise, dass der Gläubiger zunächst bei dem in Art. 39 Abs. 1, Anh. II EuGVVO bezeichneten Gericht (oder der sonst bezeichneten befugten Stelle) des Mitgliedstaats, in welchem die Vollstreckung stattfinden soll, die Vollstreckbarerklärung des zu vollstreckendenTitels beantragt. Dabei ist eine Ausfertigung des Titels nebst einer Bescheinigung nach Art 54, Anh. V EuGVVO beizufügen. Bei Vollstreckung eines deutschen Titels im EU-Ausland ist diese Bescheinigung zuvor bei dem deutschen Gericht zu beantragen, von dem die zu vollstreckende Entscheidung (Urteil, Beschluss, Vergleich) erlassen worden ist; bei vollstreckbaren notariellen Urkunden ist der Notar hierfür zuständig, bei Jugendamtsurkunden das Jugendamt. Mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat der Gläubiger im Bezirk des angerufenen Gerichts ein Wahldomizil zu begründen – soweit ein solches im Recht des Vollstreckungsstaates nicht vorgesehen ist, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen (Art. 40 Abs. 2 EuGVVO). Die Vollstreckbarerklärung erfolgt sodann ohne Anhörung des Schuldners und ohne Nachprüfung der Anerkennungsfähigkeit (Art. 41 VO (EG) Nr. 44/2001).

Das LugÜ II sieht in seinem gleichlautenden Art. 31 ff. ebenfalls ein Verfahren zur Vollstreckbarerklärung vor. Der dahingehende Antrag ist vom Gläubiger unmittelbar bei dem in Art. 32 LugÜ II bezeichneten Gericht (oder der sonst bezeichneten befugten Stelle) des Vollstreckungsstaats zu stellen. Außer einer Ausfertigung des Titels sind die Urkunden beizufügen, aus denen sich ergibt, dass dieser nach inländischem Recht vollstreckbar ist (nach deutschem Recht also die Vollstreckungsklausel) und dass er dem Schuldner zugestellt worden ist; eine Bescheinigung wie in Art. 54 VO (EG) Nr. 44/2001 vorgesehen gibt es im Anwendungsbereich des LugÜ II allerdings nicht. Nach Art. 33 Abs. 2 LugÜ II hat der Gläubiger im Bezirk des angerufenen Gerichts ein Wahldomizil zu begründen – soweit ein solches im Recht des Vollstreckungsstaates nicht vorgesehen ist, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Die Vollstreckbarerklärung erfolgt sodann ohne Anhörung des Schuldners. Im Gegensatz zur VO (EG) Nr. 44/2001 ist hier eine – eingeschränkte – Prüfung der Anerkennungsfähigkeit vorgesehen.

Das HKUVollstrÜ setzt in seinem auf Titel, die Unterhalt für noch nicht 21-jährige unverheiratete Kinder regeln, beschränkten Anwendungsbereich zusätzlich voraus, dass das deutsche Gericht oder die deutsche Behörde, von welchen der Titel stammt, i.S.d. Art. 3 HKUVollstrÜ zuständig war. Bei Vorliegen dessen kann der Gläubiger im Vollstreckungsstaat die Vollstreckbarerklärung beantragen; welches Gericht oder welche sonstige Stelle hierfür als »Vollstreckungsbehörde« zuständig ist, richtet sich nach dem autonomen Recht des Vollstreckungsstaats. Dem Antrag ist eine Ausfertigung des Titels beizufügen sowie Urkunden, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung (nach deutschem Recht) vollstreckbar ist (Art. 4 HKUVollstrÜ). Vor Erlass der Vollstreckbarerklärung hat die Vollstreckungsbehörde die Anerkennungsfähigkeit des Titels zu prüfen (Art. 5 i.V.m. 2 HKUVollstrÜ).

Das HUVollstrÜ regelt die Vollstreckbarerklärung und das dabei zu beachtende Verfahren im Wesentlichen in gleicher Weise wie das HKUVollstrÜ (Art. 4 ff. HUVollstrÜ)

Israel und Tunesien sind weder Mitgliedstaaten der VO (EG) Nr. 44/2001 noch Vertragsstaaten von EuGVÜ, LugÜ, HKUVollstrÜ oder HUVollstrÜ. Mit beiden Staaten gibt es jedoch bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge, die für die Bundesrepublik Deutschland Geltung haben und die Vollstreckung auch von Unterhaltstiteln in den Vertragsstaaten zum Gegenstand haben. Mit Israel besteht der Vertrag über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20.07.1977; dessen Ausführung im Inland unterliegt dem AVAG (§ 1 Abs. 1 Nr. 1e) AVAG). Mit Tunesien besteht der Vertrag über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 29.04.1969 nebst zugehörigem Ausführungsgesetz.

Das UN-Übereinkommen vom 20.06.1956 sieht für jeden Vertragsstaat die Einrichtung sog. Übermittlungs- und Empfangsstellen vor, die den Gläubiger bei Antragstellung und Durchführung der Auslandsvollstreckung unterstützen. Übermittlungs- und Empfangsstelle in der Bundesrepublik Deutschland ist bis zum 31.12.2007 das Bundesverwaltungsamt, ab dem 01.01.2008 das Bundesamt für Justiz. Hier ist vom inländischen Gläubiger der Vollstreckungsantrag unter Beifügung des Titels sowie einer Vollmacht für die Empfangsstelle einzureichen (Art. 3 i.V.m. 5 UN-Übereinkommen vom 20.06.1956). Die Übermittlungsstelle übersendet die Vorgänge der Empfangsstelle des Vollstreckungsstaats (Art. 4 UN-Übereinkommen v. 20.06.1956). Diese unternimmt dann in Vollmacht des Gläubigers die nach dem innerstaatlichen Recht des Vollstreckungsstaats notwendigen Schritte zur Durchführung der Vollstreckung (Art. 6 UN-Übereinkommen vom 20.06.1956), insbesondere die Beantragung einer evtl. erforderlichen Vollstreckbarerklärung.

Das AUG bestimmte bis zum 31.12.2006 den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof zur Übermittlungs- und Empfangsstelle für die Geltendmachung, insbesondere auch Vollstreckung von Unterhaltsansprüchen in den Staaten, mit denen die Gegenseitigkeit verbürgt ist (s.o. Rdn. 180), und die ihrerseits entsprechende Stellen eingerichtet haben. Seit dem 01.01.2007 ist diese Zuständigkeit auf das Bundesamt für Justiz übergegangen. Das Rechtsbehelfsverfahren gegen eine Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist in Art. 32 EuUnthVO geregelt.

Europäischer Vollstreckungstitel

Die zuvor (Rdn. 179 ff.) dargestellten Rechtsinstrumente erleichtern in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich die Auslandsvollstreckung, indem sie Verfahren zur Verfügung stellen, um Rechtshilfeersuchen oder eigene Antragstellung im Ausland überflüssig zu machen oder zu vereinfachen. Die VO (EG) Nr. 44/2001 sieht darüber hinaus von einer Nachprüfung der Anerkennungsfähigkeit durch den Vollstreckungsmitgliedstaat ab. Keines dieser Regelwerke jedoch entbindet von der Notwendigkeit einer Vollstreckbarerklärung durch den Vollstreckungsstaat. Für den mit Wirkung vom 21.10.2005 geschaffenen Europäischen Vollstreckungstitel entfällt diese Notwendigkeit: Für die grenzüberschreitende Vollstreckung in den Mitgliedstaaten der EU – außer Dänemark – mit Hilfe des in der VO (EG) Nr. 805/2004 vom 21.04.2004 (EuVTVO) i.V.m. §§ 1079 ff. ZPO geregelten »Europäischen Vollstreckungstitels« ist das Vollstreckbarerklärungsverfahren abgeschafft und dadurch die innereuropäische Unterhaltsvollstreckung erheblich vereinfacht worden.