Scheidungsstatut

Seit dem 21.06.2012 richtet sich das Scheidungskollisionsrecht gemäß Art. 3 Nr. 1 d EGBGB nach der Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, der sogenannten Rom III-VO, die (ABl. L343 vom 29.12.2010, S. 10)d. Die so genannte Rom III-VO löst daas bisher in Art. 17 Abs. 1 EGBGB geregelte Scheidungskollisionsrecht ablöst.  Scheidungskollisionsrecht ab. Das zum Bearbeitungszeitpunkt bislang lediglich als Referentenentwurf vorliegende Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des internationalen Privatrechts schließt die durch die Rom III-VO entstandenen Lücken im nationalen Kollisionsrecht durch Änderungen der bisherigen Fassungen von Art. 3, Art. 17, Art. 17 b  Abs. 1 Satz 4 EGBGB. Ferner soll Art. 46 d EGBGB (Rechtswahl) neu eingefügt und dem Art. 229 EGBGB ein § 29 angefügt (Übergangsvorschrift zum Kollisionsrecht des Versorgungsausgleichs) werden. Auf die jeweiligen Änderungen/Anpassungen im nationalen Recht die vorerwähnten Änderung wird an der entsprechenden Stelle in den nachfolgenden Ausführungen näher eingegangen.

1. Überblick

Die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 ist das Ergebnis einer wechselvollen Entstehungsgeschichte., Der ursprüngliche Verordnungsentwurf sah während der ursprünglich Ergänzungen der Zuständigkeitsregeln der EuEheVO sowie erstmals Bestimmungen über das anwendbare Recht für Ehescheidung und Ehetrennung vorgesehen waren, also ein einheitliches Regelungswerk zur internationalen Zuständigkeit und zur Frage des anwendbaren Rechts in Scheidungssachen.  Der ursprüngliche Verordnungsvorschlag scheiterte jedoch an den zu unterschiedlichen Vorstellungen einiger Mitgliedstaaten (z. B. Schweden) zu den Bestimmungen über das anwendbare Recht. Um die Verordnung nicht gänzlich zum Scheitern zu bringen, wurde auf die Möglichkeit eines "Legislativvorschlages für die verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des auf Scheidungssachen anzuwendenden Rechts" zurückgegriffen, für deren Umsetzung Einstimmigkeit im Rat nicht erforderlich war.  Die Verordnung ist zwischenzeitlich von insgesamt 14 Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Ungarn, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien und Slowenien) beschlossen worden und gilt nur in den teilnehmenden Mitgliedstaaten, während die nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten ihr bisheriges Kollisionsrecht  auch weiterhin anwenden. Als Gemeinschaftsrecht Da die Verordnung Gemeinschaftsrecht darstellt, folgen t ihre Handhabung und Auslegung der VO nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts und nicht nach den kollisionsrechtlichen Begriffen des deutschen Rechts. Zur Auslegung sind die der Verordnung vorangestellten Erwägungsgründe heranzuziehen sowie die international verfahrensrechtlichen und kollisionsrechtlichen Rechtsinstrumente des bisherigen Verordnungsrechtes, also der europäischen Eheverordnung, der EuGVO sowie der Rom I und Rom II-VO einschließlich der Rechtsprechung des EuGH zu den vorgenannten Rechtsakten.  Nur für den von der Verordnung nicht erfassten Bereich gelten weiterhin die Kollisionsnormen und Regeln des nationalen Kollisionsrechtes, soweit diese nicht angepasst oder geändert wurden.

2. Ermittlung des anwendbaren Rechts nach der Rom III-VO

a) Anwendungsbereich Rom III-VO

aa) Sachlicher Anwendungsbereich

Art. 1 Abs. 1 Rom III-VO:

Sachlich ist die Rom III-VO ist auf Scheidungs- und Trennungsverfahren ohne Auflösung des Ehebandes mit Auslandsberührung anzuwenden. Fälle mit Auslandsberührung anzuwenden, die die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes zum Gegenstand haben.

Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO: Bereichsausnahmen

Wichtig sind Geregelt sind die sogenannten Bereichsausnahmen (Art. 2 Abs. 2 a)-h) Rom III-VO). Vom Anwendungsbereich der Rom III-VO sind insbesondere folgende rechtliche Fragestellungen ausgeschlossen: Hierzu zählen insbesondere Fragen der Die Rechts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen, das Bestehen oder die die Frage des Bestehens der Gültigkeit oder Anerkennung einer Ehe sowie und die Ungültigerklärung einer Ehe.  Wichtig ist, dass Scheidungsfolgen wie der Name Namensfragen der Ehegatten als Scheidungsfolge (Art. 1 Abs. 2 b) Rom III-VO), vermögensrechtliche Folgen der Ehe (Art. 1 Abs. 2 e) Rom III-VO), elterliche Sorge und Unterhaltspflichten, Art. 1 Abs. 2 e u. f Rom III-VO) zählen ebenfalls zu den Bereichsausnahmen zählen. Hieraus folgt, dass Scheidungsfolgen wie der Versorgungsausgleich, der nacheheliche Unterhalt, der güterrechtliche Ausgleich sowie Fragen der elterlichen Verantwortung im Zusammenhang mit der Ehescheidung richten sich also nicht nach dem aufgrund der Rom III-VO anwendbaren Scheidungsstatut, sondern nach den bisher bestehenden Kollisionsregeln.nicht dem nach der Verordnung zu bestimmenden Scheidungsstatut unterfallen, sondern nach den bisher bestehenden Kollisionsregeln (anderweitige EU-VOen, völkerrechtliche Übereinkommen oder nationales IPR) zu behandeln sind. Eine Rückausnahme von den Wichtig ist ferner, dass die Bereichsausnahmen des Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO tritt auch dann nicht ein, wenn sich Rechtsfragen wie beispielsweise das Bestehen einer Ehe als Vorfrage im Zusammenhang eines Ehescheidungs- oder Trennungsverfahrens stellen. auch dann nicht in den Anwendungsbereich der Rom III-VO "zurück fallen", wenn diese sich lediglich als Vorfragen im Zusammenhang eines Ehescheidungs- oder Trennungsverfahrens stellen. Nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen damit auch alle Fälle der Auflösung der Ehe, die nicht durch Scheidung oder Trennung herbeigeführt werden, mithin die Aufhebung, Annullierung und Ungültigerklärung. Hierdurch wird ein Einklang mit dem sachlichen Anwendungsbereich der europäischen Eheverordnung mit Ausnahme der Ungültigerklärung einer Ehe erzielt, die vom Anwendungsbereich der europäischen Eheverordnung erfasst ist.  Vorfragen werden damit ebenfalls nicht vom Anwendungsbereich der Rom III-VO erfasst.

cc) Räumlicher Anwendungsbereich (Art. 4 Abs. 1 Rom III-VO)

Das nach der Rom III-VO bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines teilnehmenden Mitgliedstaates ist. Die Rom III-VO ist also nicht nur in den Fällen vorrangig, in denen auf das Recht eines teilnehmenden Mitgliedstaates verwiesen wird, sondern auch, wenn auf das Recht eines nichtteilnehmenden Mitgliedstaates verwiesen wird. Darüber hinaus gilt die Verordnung ferner, wenn auf das Recht eines Drittstaates verwiesen wird (vgl. Erwägungsgrund 12 zu Rom III-VO).

dd) Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen (Art. 19 Rom III-VO)

Die Rom III-VO Verordnung lässt die Anwendung internationaler Übereinkommen unberührt, die Kollisionsnormen für Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des Ehebandes bereit halten und denen ein oder mehrere teilnehmende Mitgliedstaaten zusammen mit anderen nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten oder Drittstaaten zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung angehören. Die Verordnung ist hingegen allerdings vorrangig, soweit im Verhältnis zwischen den teilnehmenden Mitgliedstaaten ein entsprechendes Übereinkommen besteht (Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO). Für Deutschland bedeutet dies, dass auch weiterhin das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen von 1929, welches in Art. 8 Abs. 3 eine Kollisionsnorm bereit hält, vorrangig zu beachten ist.

Da hingegen zwischen Deutschland und den anderen teilnehmenden Mitgliedstaaten kein Abkommen zum Kollisionsrecht für Ehescheidungen oder Trennungen ohne Auflösung des Ehebandes besteht, läuft Art. 19 Abs. 2 Rom III-VO leer .

b) Ermittlung des anwendbaren Rechts nach der Rom III-VO

aa) Vorranginge Rechtswahl (Art. 5 Rom III-VO)

Gemäß Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO können die Ehegatten das auf die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendende Recht wählen. Die Möglichkeit der Rechtswahl stellt eine Neuerung gegenüber der bisherigen kollisionsrechtlichen Rechtslage dar. Nach dieser war es nur möglich, nach der es nur möglich war, das Scheidungsstatut auf Grund der umfassenden Verweisung des Art. 17 Abs. 1 EGBGB auf Art. 14 indirekt zu bestimmen.  Nach der Rom III-VO kann zwar neuerdings das Scheidungsstatut isoliert gewählt werden, die Wahlmöglichkeiten beschränken sich jedoch Die nunmehr mögliche isolierte Rechtswahl des Scheidungsstatutes ist aber auf die in Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO aufgeführten Rechtsordnungen beschränkt, um zwischen dem gewählten Recht und der Ehe einen inhaltlichen Bezug herzustellen.  Hiernach können die Ehegatten das Recht des Staates wählen:

  • in dem sie zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 5 Abs. 1 a) Rom III-VO oder das Recht des Staates, in dem sie zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten (Art. 5 Abs. 1 b) Rom III-VO), sofern mindestens einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ferner ist das Recht des Staates wählbar,
  • dessen Staatsangehörigkeit einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl besitzt (Art. 5 Abs. 1 c) Rom III-VO). Außerdem kann
  • das Recht des Staates des angerufenen Gerichts gewählt werden (Art. 5 Abs. 1 d) Rom III-VO).

Die in Art. 5 Abs. 1 c) vorgesehene Möglichkeit, das Heimatrecht eines der Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl zu wählen, enthält keine Regelung für Doppel- und Mehrstaater. Fraglich ist allerdings, ob bei Doppel- und Mehrstaater dann ergänzend einer solchen Regelung auf Art. 5 Abs. 1 EGBGB zurückgegriffen werden darf. Nach hier vertretener Auffassung verbietet sich ein Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 EGBGB auf Grund der im Vordringen befindlichen, gleichwertigen Berücksichtigung der nicht effektiven Staatsangehörigkeit in der Rechtsprechung des EuGH zum Privatrecht und IPR.  Geht eine Beschränkung auf die effektive Staatsangehörigkeit spricht zudem, dass auch im Rahmen der internationalen Entscheidungszuständigkeit nach der europäischen Eheverordnung (z. B. gemäß Art. 3 Abs. 1 b) EuEheVO) auch die nicht effektive Staatsangehörigkeit zur Begründung einer internationalen Entscheidungszuständigkeit ausreicht (vgl. hierzu Seite 57). Einigung und materielle Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung beurteilen sich gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom III-VO nach dem Recht, das die Parteien wählen wollten. Die Regelung ist Art. 10 Rom I-VO nachgebildet und umfasst alle Fragen des äußeren Vertragsabschlusses, d. h. das Vorliegen von Angebot und Annahme sowie Fragen der materiellen Wirksamkeit wie z. B. das Fehlen oder Vorhandensein von Willensmängeln. Von Art. 6 Abs. 1Nicht werden Formfragen nicht erfasst.  werden Formfragen. Diese sind  die in Art. 7 Rom III-VO geregelt werden. Ebenso wenig werden Fragen der Geschäfts- oder Handlungsfähigkeit erfasst, die ausdrücklich unter die Bereichsausnahmen der Rom III-VO gemäß Art. 1 Abs. 2 fallen und gemäß Art. 7 EGBGB anzuknüpfen sind.

Art. 6 Abs. 2 Rom III-VO eröffnet eine Korrekturmöglichkeit für den Ehegatten, der behaupten möchte, dass entgegen der Behauptung des anderen Ehegatten die Rechtswahlvereinbarung als abgeschlossen und wirksam gilt. Hierfür knüpft Art. 6 Abs. 2 auf das Recht des Staates an, in dem der sich werdende Ehegatte zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Form der Rechtswahl: Art. 7 Rom III-VO regelt die Formgültigkeit einer zwischen den Ehegatten getroffenen Rechtswahlvereinbarung. Gemäß Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO bedarf die Rechtswahl der Schriftform, der Datierung sowie der Unterzeichnung durch beide Ehegatten. Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, erfüllen ebenfalls die Schriftform (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Rom III-VO). Zusätzliche Formvorschriften für Rechtswahlvereinbarungen (also über die in Abs. 1 vorgesehene Formgültigkeit hinausgehend) sind gemäß Art. 7 Abs. 2 Rom III-VO anzuwenden, wenn dies das Recht des teilnehmenden Mitgliedstaates vorsieht, in dem beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten.

Art. 7 Abs. 1 bis 3 Rom III-VO regeln nur die Konstellationen, in denen beide Ehegatten sich in an der Verordnung teilnehmenden Mitgliedstaaten aufhalten.

Nach dem neu vorgesehenen Art. 46 d Abs.1 EGBGB ist eine Rechtswahlvereinbarung nach Art. 5 der Rom III-VO notariell zu beurkunden, wenn mindestens ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Bei Art. 46 d EGBGB handelt sich mithin um eine strengere Formvorschrift als in Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO. Die Rechtswahlvereinbarung von S und F ist notariell zu beurkunden, weil beide zum Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und dort strengere Formvorschriften vorgesehen sind (Art. 7 Abs. 2 Rom III-VO). Auch wenn Art. 46 d Abs. 1 EGBGB zum Bearbeitungszeitpunkt noch nicht in Kraft ist, ergibt sich aufgrund der bisherigen Rechtslage das Vorliegen strengerer Formvorschriften: die bislang  zulässige, indirekte Rechtwahl des Scheidungsstatuts (Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB in seiner bis zum 21.6.2012 gültigen Verfassung verweist auf die allgemeinen Ehewirkungen gemäß Art. 14 EGBGB) über die Rechtswahl der allgemeinen Ehewirkungen gemäß Art. 14 Abs. 2 und 3 EGBGB sieht gemäß Art. 14 Abs. 4 EGBGB ebenfalls notarielle Beurkundung vor.

Art. 7 Abs. 3 Rom III-VO sieht für so genannte Distanzbeschlüsse  eine Sonderregelung vor. Hiernach genügt die Erfüllung der Formvorschriften eines teilnehmenden Mitgliedstaates, die wenigstens die Grundregeln des Abs. 1 erfüllt. Hätte im Beispielsfall nur F ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und S in einem teilnehmenden Mitgliedstaat, der keine strengeren Formvorschriften als in Art. 7 Abs. 1 vorsieht, so ist die Formgültigkeit der Rechtswahlvereinbarung zunächst nach den strengeren Formvorschriften des deutschen Rechts zu messen. Sind diese nicht erfüllt, so ist die Rechtswahlvereinbarung gleichwohl wirksam, wenn sie den Formvorschriften des teilnehmenden Mitgliedstaates entspricht, in dem sich S aufhält. Die Rechtswahlvereinbarung muss also in jedem Fall den Formvorschriften des Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO genügen.

Art. 7 Abs. 4 Rom III-VO regelt den Fall, in dem nur einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem teilnehmenden Mitgliedstaat hat, wo hingegen sich der andere Ehegatte in einem nichtteilnehmenden Mitgliedstaat oder einem Drittstaat aufhält. In diesem Fall müssen mindestens die Formvorschriften des Art. 7 Abs. 1 Rom III-VO eingehalten sein. Darüber hinaus sind aber zusätzliche Formanforderungen an die Rechtswahl anzuwenden, wenn zumindest einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem teilnehmenden Mitgliedstaat hat und dort zusätzlich Formanforderungen bestehen (wie beispielsweise in Deutschland).

bbb) Zeitpunkt der Rechtswahl: Gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom III-VO kann eine Rechtswahlvereinbarung jederzeit spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts geschlossen oder geändert werden. Eine nach Art. 5 Abs. 1  getroffene Rechtswahl ist selbstverständlich abänderbar und durch eine neue Rechtswahl gemäß der Vorgaben in Art. 5 Abs. 1 a)-d) Rom III-VO ersetzbar (Statutenwechsel). Zum anderen bedeutet dies, dass eine erstmalige Rechtswahlvereinbarung oder eine (gegebenenfalls mehrfache) Änderung der Rechtswahl spätestens zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes getroffen sein muss. Was unter Anrufung zu verstehen ist, richtet sich in zeitlicher Hinsicht nach Art. 16 EuEheVO, wonach die Anrufung dann gegeben ist, wenn seitens des antragstellenden Ehegatten alles getan wurde, damit bei weiterem Handeln des Gerichts oder sonstiger nach dem Recht des Gerichtsstaates zuständigen Stellen Rechtshängigkeit eintreten kann.

Art. 5 Abs. 3 Rom III-VO eröffnet die weitere Möglichkeit, dass auf die Scheidung anwendbare Recht auch im Laufe des Scheidungsverfahrens zu wählen, wenn dies das Recht des Staates des angerufenen Gerichts vorsieht. Im Wege des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts an die Verordnung EU Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des internationalen Privatrechtes wird Art. 46 d Abs. 2 EGBGB neu hinzukommen, wonach eine Rechtswahl auch noch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung getroffen werden kann. § 127 a des Bürgerlichen Gesetzbuches gilt entsprechend.

bb) Objektive Anknüpfung mangels Rechtswahl (Art. 8 Rom III-VO)

Wurde eine Rechtswahl nicht bzw. nicht wirksam getroffen, richtet sich das auf die Ehescheidung oder Trennung der Ehe ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht nach Art. 8 Rom III-VO, der eine mehrstufige Anknüpfungsregelung bereithält.

Hiernach ist stufenweise zunächst anzuknüpfen an das Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten.

Hilfsweise ist an das Recht des Staates anzuknüpfen, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt ist aber nur maßgebend, wenn dieser nicht vor mehr als 1 Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Wiederum hilfsweise ist auf das Recht des Staates abzustellen, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes besitzen.

Versagt auch die letzte Stufe der Anknüpfung, gilt das Recht des angerufenen Gerichts, die lex fori.

Gemäß Art. 11 Rom III-VO sind die Verweisungen in Art. 5 und 8 der Rom III-VO Sachnormverweisungen. Es ist deshalb nicht weiter zu prüfen, ob nach dem zunächst zur Anwendung berufenen ausländischen Rechts nach dessen IPR eine Rück- oder Weiterverweisung ausgesprochen wird. Für die an der Verordnung teilnehmenden Mitgliedstaaten versteht sich dies von selbst.

Kollisionsrechtlich bemerkenswert ist allerdings die Tatsache, dass der Ausschluss der Rück- und Weiterverweisung auch dann gilt, wenn auf das Recht eines nicht teilnehmenden Mitgliedstaates oder auf das Recht eines Drittstaates verwiesen wird, da eigentlich im IPR des Drittstaates vorbehalten sein müsste, ob es die Verweisung annimmt.

cc) Spezieller ordre public (Art. 10 Rom III-VO)

Sieht das nach Art. 5 oder Art. 8 Rom III-VO zur Anwendung berufene Recht eine Scheidung nicht vor oder gewährt es einem der Ehegatten auf Grund seiner Geschlechtszugehörigkeit keinen gleichberechtigten Zugang zur Ehescheidung, gilt das Recht des Staates des angerufenen Gerichts.

Art. 10 Rom III-VO betrifft zum einen den Fall, dass das gewählte Recht oder das objektiv ermittelte Recht ein scheidungsfeindliches Recht ist (für Malta, das teilnehmender Mitgliedstaat ist, ist zwischenzeitlich zum 01.10.2011 ein Scheidungsrecht in Kraft getreten; vgl. hierzu Pietsch, FamRZ 2012, 426 f.). Zum anderen betrifft Art. 10 die Rechtsordnungen, in denen ein Ehegatte, zumeist die Ehefrau, geringere oder gar keine Möglichkeiten hat, die Ehe durch Scheidung aufzulösen oder sich zu trennen. Für das Recht der EU-Mitgliedstaaten ist die praktische Relevanz der Vorschrift wohl zu vernachlässigen, nicht aber für das nach der VO durchaus auch relevante Recht eines Drittstaates, in dem beispielsweise das Eherecht auf der religiösen Grundlage des Islam beruht (vgl. Erman/Hohloch, Anh. zu Art. 17 EGBGB, Art. 10 Rom III-VO Rdnr. 2). In beiden Fällen muss nicht erst der allgemeine ordre public (vgl. Art. 12 Rom III-VO) bemüht werden, um zu einem angemessenen Ergebnis zu gelangen. Es hilft bereits die ersatzweise Anknüpfung an das Recht des Staates des angerufenen Gerichtes über Art. 10 Rom III-VO weiter.

dd) ordre public (Art. 12 Rom III-VO)

Art. 12 ermöglicht den Gerichten, die Anwendung einer Bestimmung des ausländischen Rechts zu versagen, wenn ihre Anwendung in einem konkreten Fall mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar wäre (vgl. hierzu Erwägungsgrund 25 zu Rom III-VO). Der ordre public des Art. 12 Rom III-VO geht, soweit der Anwendungsbereich der Rom III-VO eröffnet ist, dem ordre public des Art. 6 EGBGB vor. Erforderlich ist ein eklatanter Widerspruch der Lösung des ausländischen Rechts zur Rechts- und Werteordnung des Staates des angerufenen Gerichts, was einen besonderen Inlandsbezug des Falles voraussetzt. Auf die bisherige Gerichtspraxis im Rahmen der Anwendung des alten Art. 17 EGBGB und des Art. 6 EGBGB kann deshalb in der Regel auch im Rahmen des Art. 12 Rom III-VO zurückgegriffen werden.  Die Gerichte sollten jedoch den ordre public-Vorbehalt des Art. 12 Rom III-VO nicht mit dem Ziel anwenden, Bestimmungen des Rechtes eines anderen Staates auszuschließen, wenn dies gegen die Grundrechte der europäischen Union verstoßen würde, die jede Form der Diskriminierung untersagt (vgl. Erwägungsgrund 25 der Rom III-VO).