Durchführung des Versorgungsausgleichs

c) Scheidungsfolgen, insbesondere Versorgungsausgleich

Bei den Scheidungsfolgen ist kollisionsrechtlich zwischen den gesondert geregelten Scheidungsfolgen und den nicht spezifisch geregelten Scheidungsfolgen zu unterscheiden.

aa) Nichtspezifisch geregelte Scheidungsfolgen

Nachdem gemäß Art. 17 Abs. 1 EGBGB in seiner bis zum 21.06.2012 gültigen Fassung ermittelten Scheidungsstatut beurteilten sich die Voraussetzungen der Scheidung, insbesondere Scheidungs- und Ehetrennungsgründe einschließlich der Schuldvoraussetzungen sowie der Ablauf von Trennungsfristen und die Statthaftigkeit einer einverständlichen Scheidung.  Darüber hinaus konnte das nach Art. 17 Abs. 1 EGBGB a. F. ermittelte Scheidungsstatut auch solche Scheidungsfolgen umfassen, die weder unterhalts- bzw. güterrechtlich zu qualifizieren waren, noch dem Anwendungsbereich des Art. 17 a EGBGB unterlagen. Hierzu zählte beispielsweise die Nutzungsbefugnis an im Ausland gelegenen Ehewohnungen und Haushaltsgegenständen. Hierzu zählten auch Rechtsinstitute des ausländischen Rechts, die dem deutschen Recht unbekannt sind wie beispielsweise Genugtuns-, Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche eines Ehegatten, der die Scheidung nicht verschuldet hat.  Mit der Anwendbarkeit der Rom III-VO zum 21.06.2012 war deshalb zu klären, ob die bisher kollisionsrechtlich nicht spezifisch geregelten Scheidungsfolgen sich nunmehr nach dem über die Rom III-VO ermittelten Scheidungsstatut richten oder gegebenenfalls Art. 17 EGBGB in seiner alten Fassung anzuwenden ist. Art. 17 Abs. 1 EGBGB a.F. wird deshalb durch das Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 und zur Änderung anderer Vorschriften des internationalen Privatrechts neu geregelt. Hiernach unterliegen vermögensrechtliche Scheidungsfolgen, die nicht von anderen Vorschriften des 3. Abschnitts im EGBGB erfasst sind, dem nach der Rom III-VO auf die Scheidung anzuwendenden Recht. Eine Rückverweisung ist wegen Art. 11 Rom III-VO ausgeschlossen. Folglich wird die Nutzungsbefugnis an den im Ausland gelegenen Ehewohnungen und Haushaltsgegenständen oder ein Schadensersatzanspruch eines Ehegatten, der die Scheidung nicht verschuldet hat, nach dem über die Rom III-VO anzuwendenden Recht beurteilt.

bb) Spezifisch geregelte Scheidungsfolgen

Vom Anwendungsbereich der Rom III-VO werden unter anderem die Scheidungsfolge des Nachscheidungsunterhalts, des güterrechtlichen Ausgleichs sowie des Versorgungsausgleichs (vgl. die Bereichsausnahmen in Art. 1 Abs. 2 Rom III-VO) nicht erfasst. Das anwendbare Recht für den Nachscheidungsunterhalt richtet sich also nach dem Haager-Unterhaltsprotokoll, güterrechtliche Ausgleichsansprüche bis zur Anwendbarkeit der europäischen Güterrechtsverordnung nach Art. 15 EGBGB. Nicht vermögensrechtliche Scheidungsfolgen wie beispielsweise die elterliche Sorge richten sich nach Art. 21 EGBGB bzw. dem KSÜ.

aaa) Versorgungsausgleich

Der Versorgungsausgleich war nach bisherigem Recht über Art. 17 Abs. 3 EGBGB a. F. an das nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB a. F. anzuwendende Recht gekoppelt. Da ab dem 21.06.2012 das Scheidungsrecht hingegen über die Rom III-VO zu ermitteln ist, richtet sich gemäß Art. 17 Abs. 3 S. 1 HS 1 EGBGB n. F. der Versorgungsausgleich nunmehr nach dem nach der Rom III-VO anzuwendenden Recht. Der Versorgungsausgleich von Amts wegen ist aber nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 3 Satz 1 n. F. vorliegen.

  • Zunächst ist zu ermitteln, ob auf die Scheidung deutsches Recht anzuwenden ist.
  • Falls deutsches Recht anzuwenden ist: Ist einer der Ehegatten Ausländer, muss geprüft werden, ob das Heimatrecht dieses Ehegatten den Versorgungsausgleich kennt. Dies ist der Fall, wenn der Kerngehalt des betreffenden Rechtsinstitutes des Heimatrechts mit den wesentlichen Strukturmerkmalen des deutschen Versorgungsausgleiches vergleichbar ist. Dies ist bereits der Fall, wenn das ausländische Rechtsinstitut zumindest einen Ausgleichmechanismus vorsieht, wie dies beim schuldrechtliche Versorgungsausgleich gemäß der §§ 20 ff. Versorgungsausgleichsgesetz der Fall ist.
  • Kennt das ausländische Recht den Versorgungsausgleich nicht . findet der Versorgungsausgleich von Amts wegen nicht statt, obwohl deutsches Sachrecht anzuwenden ist.

Wenn gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB ein Versorgungsausgleich von Amts wegen nicht durchgeführt werden kann, kommt dennoch ein Ausgleich gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB in Betracht, allerdings nur auf Antrag. Voraussetzung ist, dass einer der Ehegatten in der Ehezeit ein Anrecht bei einem inländischen Versorgungsträger erworben hat und die Durchführung des Versorgungsausgleiches im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse während der gesamten Ehezeit der Billigkeit entspricht.

Beispiel:

Spanierin S. und Italiener I. haben ununterbrochen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und wollen sich jetzt in Deutschland scheiden lassen. Beide haben in Deutschland gearbeitet und bei der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften erworben. Weder das spanische, noch das italienische Heimatrecht kennt den Versorgungsausgleich.

Mangels Rechtswahl ist das Scheidungsstatut gemäß Art. 8 a) Rom III-VO deutsches Recht, da die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz EGBGB unterliegt die Durchführung des Versorgungsausgleiches ebenfalls dem deutschen Recht. Der Versorgungsausgleich ist dennoch nicht von Amts wegen durchzuführen, weil keines der Heimatrechte der Beteiligten den Versorgungsausgleich kennt. Der Versorgungsausgleich kann aber gemäß Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB auf Antrag durchgeführt werden, weil beide Ehegatten Rentenanwartschaften im Inland erworben haben, vorausgesetzt dies entspricht der Billigkeit.

Der Billigkeit würde es beispielsweise nicht entsprechen, wenn nur ein Ehegatte im Inland Anwartschaften erworben hat, die auf Antrag des anderen Ehegatten zum Ausgleich herangezogen werden während der andere Ehegatte Vermögenswerte im Ausland besitzt, die nicht in den Versorgungsausgleich mit einbezogen werden und auch nicht anderweitig ausgeglichen werden können.  Im Beispielsfall liegt diese Konstellation jedoch nicht vor.

bbb) Int. Zuständigkeit beim Versorgungsausgleich

Supranationale Rechtsgrundlagen für die internationale Zuständigkeit zur Durchführung des Versorgungsausgleichs bei Fällen mit Auslandsbezug gibt es nicht. Ebensowenig kennt das europäische Gemeinschaftsrecht spezielle Regelungen. Aus § 98 Abs. 2 FamFG folgt, dass sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Absatz 1 der Vorschrift im Falle des Verbunds von Scheidungs- und Folgesachen auch auf die Folgesachen erstreckt. Obwohl § 98 Abs. 2 FamFG lediglich auf die sich nach § 98 Abs. 1 FamFG ergebende internationale Zuständigkeit der Ehesache Bezug nimmt, dürfte die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 2 FamFG auch für die wohl überwiegenden Fälle gelten, in denen die Zuständigkeit in der Ehesache auf europäischem Gemeinschaftsrecht beruht. Die weitere Zuständigkeitsregelung für Versorgungsausgleichssachen in § 102 FamFG gilt ausdrücklich nur für isolierte Verfahren. Ein isoliertes Verfahren auf Durchführung des Versorgungsausgleichs in Deutschland ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 102 FamFG also auch dann möglich, wenn die Scheidung im Ausland ausgesprochen und dort der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wurde.

ccc) Praxisprobleme

Das Familiengericht muss von Amts wegen auch ausländische Anwartschaften ermitteln, was in der Regel zu besonderen Schwierigkeiten und zeitlichen Verzögerungen führt, weil ausländische Sozialversicherungsträger oft keine Auskunft erteilen.  Werden Auskünfte aus dem Ausland erteilt, muss ermittelt werden, ob sie aufgrund Arbeitsleistung oder Kapitaleinsatzes erzielt wurden, damit sie mit inländischen Anwartschaften vergleichbar sind.  Sofern kein Sozialversicherungsabkommen mit dem Ausland besteht, wirken sich ausländische Versicherungszeiten nicht direkt auf deutsche Anwartschaften aus. Anders kann dies bei Versicherungszeiten aus einem EG-Land sein, z.B. auch bei Kindererziehungszeiten.