Anerkennung ausländischer Ehescheidungen

1. Anerkennung nach EuEheVO

Vorrangige Kollisionsnorm zur Anerkennung von Urteilen in Ehesachen ist Art 21 Abs. 1 EuEheVO. Danach werden Scheidungsbeschlüsse, die in einem Mitgliedstaat ergangen und rechtskräftig geworden sind, in allen Mitgliedstaaten grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung anerkannt. Dies gilt ebenso für Entscheidungen, welche die Aufhebung oder Feststellung des Nichtbestehens der Ehe (Ungültigerklärung) aussprechen, und für Entscheidungen zur Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Abweisende Entscheidungen fallen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 21 EuEheVO; für diese bleibt es bei den Regeln des autonomen Kollisionsrechts.

Die Anerkennung von in den Anwendungsbereich von Art. 21 Abs. 1 EuEheVO fallenden Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten setzt kein förmliches Anerkennungsverfahren im Inland voraus, sie sind »automatisch« anzuerkennen. Dadurch wird im Inland für in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidungen in Ehesachen das Verfahren nach § 107 FamFG (s.u. Rdn. 66.) verdrängt. Für die Maßgeblichkeit solcher Urteile in Deutschland ist eine Entscheidung der Landesjustizverwaltung nicht Voraussetzung und darf auch behördlicherseits, insbesondere von den Standesämtern, nicht verlangt werden (Art. 21 EuEheVO). Allerdings hat jeder Ehegatte, der ein Interesse daran hat, zur Klarstellung der möglicherweise zweifelhaften Anerkennungsfähigkeit das Recht, diese positiv oder negativ feststellen zu lassen. Für das hierzu statthafte Anerkennungsverfahren ist gem. Art. 21 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2201/2003, §§ 10, 12, 32 IntFamRVG das Familiengericht im Bezirk des Oberlandesgerichts zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich zum Zeitpunkt der Antragstellung die Person, gegen die sich der Antrag richtet, oder das Kind, auf das sich die Entscheidung bezieht, sich gewöhnlich aufhält oder bei Fehlen einer solchen Zuständigkeit das Interesse an der Feststellung hervortritt oder das Bedürfnis der Fürsorge besteht, sonst das im Bezirk des Kammergerichts zur Entscheidung berufene Gericht.

Zu den Förmlichkeiten der für die Anerkennung notwendigen Nachweise gelten Art. 37–39, 52 EuEheVO.

Eine Versagung der Anerkennung von in einem Mitgliedstaat ergangenen Scheidungsurteilen, Ungültigerklärungen und Entscheidungen zur Trennung ohne Auflösung des Ehebandes kann nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Sie darf lediglich auf die im abschließenden Katalog des Art. 22 EuEheVO normierten Gründe gestützt werden. Diese sind darüber hinaus zusätzlich eingeschränkt durch die in Art. 24–26 EuEheVO geregelten Nachprüfungsverbote:

  • Nach Art. 24 EuEheVO ist die Nachprüfung der vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaats angenommenen Zuständigkeit ausgeschlossen; die Regelungen der EuEheVO über die internationale Zuständigkeit sind einer ordre-public-Prüfung entzogen.
  • Art. 26 EuEheVO schließt generell die Geltendmachung angeblich sachlicher Unrichtigkeit der anzuerkennenden Entscheidung aus. Das Gericht – ebenso der Standesbeamte – darf die Entscheidung keinesfalls in der Sache selbst nachprüfen.

Nach Art. 25 EuEheVO darf einem Scheidungsurteil, einer Entscheidung, welche die Ungültigkeit der Ehe ausspricht, sowie einer Trennungsentscheidung nicht entgegengehalten werden, dass eine derartige Entscheidung nach inländischem Recht nicht zulässig sei. Ist z.B. durch ein italienisches Gericht die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes hinsichtlich einer deutsch-italienischen Ehe ausgesprochen worden, ist dies für das Inland unangreifbar anzuerkennen, obwohl das deutsche Recht keine Ehetrennung kennt. Dies gilt auch dann, wenn im konkreten Fall nach den deutschen Kollisionsregelungen Scheidungs- oder Eheauflösungsstatut deutsches Recht wäre.

2. Anerkennung von Entscheidungen aus Drittstaaten

Auf in einem Nichtmitgliedstaat oder Dänemark ergangene Entscheidungen ist Art. 21 EuEheVO nicht anzuwenden. Die Anerkennung von derartigen Entscheidungen in Ehesachen richtet sich materiell-rechtlich nach § 109 FamFG, das Verfahren nach § 107 FamFG. § 107 FamFG (ehemals Art. 7 § 1 FamRÄndG) normiert zur Anerkennung einer Auslandsscheidung in Deutschland eine spezielle behördliche Zuständigkeit: Zuständig für die Anerkennungsentscheidung ist die Landesjustizverwaltung dort, wo ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hilfsweise die Justizverwaltung des Landes Berlin. Das damit verbundene Feststellungsmonopol hat für alle inländischen Gerichte und Behörden Bindungswirkung. Erst mit der Bestandskraft der Entscheidung der Landesjustizverwaltung steht die Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteils fest. Dies bedeutet, dass die Frage der Anerkennung einer ausländischen Scheidung – wenn sie nicht in einem Mitgliedstaat ergangen ist – grundsätzlich nicht durch das Familiengericht inhaltlich geprüft oder entschieden werden kann; die materiellen Anerkennungsvoraussetzungen können nur im Verfahren der Landesjustizverwaltung festgestellt werden. Ausnahme hierzu ist nach § 107 Abs. 1 2 FamFG, dass beide Ehegatten nur Angehörige des Staates waren, dessen Gericht die Scheidung ausgesprochen hat (sogenannte Heimatrechtsentscheidungen). Nach der Rechtsprechung des BGH ist jedoch auch in diesen Fällen ein Anerkennungsverfahren (bisher nach Art. 7 § 1 FamRÄndG) – fakultativ – zulässig.

Dem Anerkennungsmonopol unterliegen nur die Scheidung, aber nicht die Scheidungsfolgen. Andererseits kann es aber keine Anerkennung der Scheidungsfolgen ohne Anerkennung der Scheidung selbst geben. Unter Umständen muss deshalb ein Verfahren, das eine Scheidungsfolgesache zum Gegenstand hat und die von der Wirksamkeit der Ehescheidung abhängt (z.B. Nachscheidungsunterhalt), ausgesetzt werden, bis die Landesjustizverwaltung über die Anerkennung der Ehescheidung als Vorfrage entschieden hat. Dies soll selbst für die Fälle gelten, in denen die Anerkennung der Folgesache staatsvertraglich geregelt ist. Für die Vollstreckbarerklärung eines Kindesunterhaltsausspruchs, der Bestandteil eines ausländischen Scheidungsurteils ist, bedarf es keiner vorherigen Anerkennung der Scheidung durch die Landesjustizverwaltung.

Fraglich ist, inwieweit eine im Ausland vollzogene Privatscheidung anerkannt werden kann. Häufig finden Privatscheidungen (z.B. talaq-Scheidung, Übergabe des Scheidebriefes nach jüdischem Recht) ausschließlich zwischen den Ehegatten statt. Eine Entscheidung, deren Anerkennungsfähigkeit überprüft werden könnte, liegt dann gar nicht erst vor. Hat dabei eine ausländische Behörde irgendwie – sei es auch nur registrierend – mitgewirkt, ist ein Verfahren nach § 107 FamFG allerdings zulässig.  Die materiellen Anerkennungsvoraussetzungen richten sich bei einer Privatscheidung nicht nach § 109 FamFG, weil eine anerkennungsfähige Entscheidung nicht vorliegt. Sie sind dann inzident über Art. 17 EGBGB zu prüfen.  Jedoch ist hier sehr genau gem. Art. 6 EGBGB zu prüfen, ob der Anerkennung nicht ein Verstoß gegen den inländischen ordre public entgegensteht; so etwa bei einer Privatscheidung islamischen Rechts in der Form der Verstoßung der Ehefrau (talaq).